Montag, 5. März 2012


9.
Letzter Tag
Rottenburg- Liebfrauenhöhe
Das Wetter ist nicht besser, aber auch nicht schlechter geworden- das ist doch schon mal was!
Wir bezahlen unser Zeche und Logis und starten . Das erste Ziel ist der Dom in Rottenburg. Steffi meinte zwar, wir könnten gleich weiter, aber ich finde, der Jakobsweg Rothenburg/Rottenburg endet nun mal am Dom und wird sollten da hin, damit unsere Reise einen ordentlichen Abschluß hat.
Wir wandern durch ein hübsches Tälchen, vorbei an einer einsamen Kirche hinein in die Stadt.
Kaum sind wir im Verkehr erschallt der Pinkelruf! Warum nicht einen Kilometer eher? Warum immer an Orten wo man sehen muß, wie man die ganze Bagage aus dem Verkehr bringt und ein halbwegs ruhiges Plätzchen findet?
In Rottenburg reagieren die Leute mehr auf uns, wir werden nett gegrüßt, es wird gewunken, wir schnappen Unterhaltungsfetzen auf wo immer wieder das Wort Pilger fällt. Man  kennt das hier.
Ein Bauarbeiter kommt vom Gerüst und filmt mit seinem Handy unseren Einzug in die Altstadt.
Der Dom ist schnell gefunden. Direkt an der engsten Stelle der Strasse kommt ein Polizeiauto und hält uns an. Ohje! Was ist nun schon wieder?  Die junge Beamtin ist jedoch total begeistert von uns und unserem Unternehmen, sie fragt uns aus und stört sich kein bisschen daran, dass der ganze Verkehr aufgestaut wird. Sie bittet sogar um unsere Telefon Nummer, damit sie sich mal in Ruhe melden und um Informationen nachfragen kann.
Vor dem Dom ist ein Brunnen- die Tiere saufen, die Menschen entern das Eiskaffee nebenan.

Die Pferde werden an eine Straßenlaterne gebunden, der Hund wird abgelegt.
Pauline und ich zünden im Dom Kerzen an für den guten Verlauf unserer Reise, für die lieben Gastgeber u.s.w.  Im Innern ist diese altehrwürdige Kirche ziemlich modern ausgebaut. Die Kunstschätze werden cool und schick präsentiert , wie in einer Kunsthalle. Man merkt, die Kurie hat noch Geld . Es fehlt nur an der Basis. Über die Institution Kirche kann ich nur den Kopf schütteln…
Stempel für unseren Pilgerpaß bekommen wir in der Buchhandlung. Die Kirchenleute sind im Urlaub- wo macht ein Kirchenfürst wohl Urlaub?  Mallorca wohl eher nicht…oder?

Die Kids bekommen Eis, die Eltern Milchkaffee. Eine durchgeknallte Hausfrau belagert Steffi und erzählt tausend Dinge über ihre Sinnsuche, Ihre Probleme ihr frustriertes Leben…
Manche Touristen fotografieren uns, wir amüsieren uns über ein Paar, das uns nur heimlich fotografiert. Sie stellt den Partner vor den Brunnen und tut nur so als ob sie ihn im Visier hat- eigentlich fotografiert sie uns….
Eine ältere Dame spricht uns an, sie erzählt von ihren Wanderritten und dass sie ihr letztes eigengezogenes  Pferd vor kurzem mit 35 Jahren eingeschläfert hat.  Nun sind ihr Gatte uns sie zu alt, sie leben von den Erinnerungen an schöne Ritte in ganz Süddeutschland ,  Österreich und Frankreich. Sie hat Tränen in den Augen, streichelt ständig die Hakima und auch ich bin ganz gerührt.
Ich suche in der Buchhandlung nach einer Anschlußkarte,  wo der Jakobsweg eingezeichnet ist und nach dem Pilgerführer für die weitere Strecke über den Schwarzwald. Leider gibt’s das hier nicht.
Bei der 3. Tasse Kaffee überlegen wir gerade, wie wir das mit der Rückreise in Angriff nehmen, als das Telefon klingelt. Schwiegermutter ist dran. Sie hat heute Urlaub und könnte mich abholen, falls wir eventuell heute schon zurück wollten!  Bingo!  Das hat Jakobus mal wieder fein gerichtet.
Wir beschliessen, noch eine knappe Tagesetappe weiter zu wandern – bis zur Liebfrauen Höhe, das ist ein Kloster und Betreiber des Kloster Bauernhofes sind alte Bekannte von uns aus Trekking Club Zeiten. Die haben 5 Kinder, einen Stall voll Pferde – die sind belastbar- die kann man überfallen!  Wir machen mit Oma Marlies die Leibfrauen Höhe als Treffpunkt aus, packen zusammen und klappern durchs Städtlein auswärts.
Der Jakobsweg schwenkt in einem großen Bogen durch Dörfer und Felder bis zu unserem heutigen Ziel, der Liebfrauen Höhe. Dazu habe ich aber gar keine Lust- es ist saukalt – der Wind pfeift. Vor vielen Jahren bin hier schon geritten- durch das schöne Rommelstal, welches oben auf der Höhe direkt beim Kloster endet- da wollen wir gehen, da geht der Wind über. Es ist etwas direkter.
Ehe wir ins enge Tal hinab steigen gibt’s eine letzte Brotzeit auf einem Spielplatz, die Vorräte machen nicht mehr viel her- ein bescheidenes Mahl!


Neben an auf der Viehweide stehen Mutterkühe, Kälbchen und ein riesiger Bulle- hoffentlich bleibt der auch da stehen!   Wie wir wieder aufbrechen baut er sich ganz nah am Zaun auf- höchste Zeit, hier zu verschwinden.

Steil geht’s hinunter in die enge Waldschlucht, hie und da stehen bizarre Felswände.
Das Rommelstal ist wunderschön.
Diese letzten Kilometer sind noch mal ein landschaftlicher Höhepunkt am Ende unserer Tour.
Wie wir auf dem Bauernhof einmarschieren ist die Überraschung groß.

Schnell wird für unsere Pferde ein frisches Stück Wiese abgezäunt, sie werden abgesattelt und versorgt.
Marlies ist auch schon da, ein Teil vom Gepäck, die Kinder und ich wandern ins Auto und sie bringt mich zum Startpunkt unserer Pilgerreise nach Steinbach.
Das Gespann steht noch da, alle Reifen haben noch Luft und der Wagen springt an. Marlies fährt zu uns nach Hause und bis Steffi, ich und die Pferde heim kommen sind die Kinder hoffentlich schon gebadet und im Bett. Ich fahre zurück – in kürzester Zeit die ganze Strecke, die wir nun tagelang gewandert sind.
Ein netter Plausch noch mit den lieben Semmelmanns, dann kommen die Pferde in den Hänger und wir fahren heim. Im nächsten ‚Jahr soll es ab hier weiter gehen. 
Steffi fragt, warum wir nicht noch ein Stück dran hängen- sie hat im Kloster den Anschluß –Pilgerführer kaufen können- aber zu spät, die Kinder sind schon zu Hause. Auch ich wäre am liebsten einfach weiter gewandert!
Es war trotz aller Strapazen eine tolle Tour. Im kommenden Jahr soll es so Gott will , über den Schwarzwald in Richtung Elass gehen.

G. Stier




8A  Fortsetzung :

…lange noch führt uns der Weg stetig bergauf. Oben auf dem Höhenrücken mitten im Wald treffen wir wieder auf ein Muschelschild- endlich! Wir machen Pause, die Pferde haben Kohldampf und dürfen hier grasen, die Pilgerbande sucht sich auf dem Asphalt trockene Stellen und lässt sich gemütlich nieder zum Vesper. Beim weiterwandern entdecken wir keine 50 m weiter hinter der nächsten Wegbiegung eine Bank- oh mann!
Ewig lange wandern wir nun oben auf dem Höhen rücken immer schön gerade aus und eben durch
nassen , kalten deutschen Wald. Heute will sogar Pauline ein Stück reiten. Sie ist bisher alles zu Fuß gegangen – im Tempo von uns Erwachsenen – gute Leistung für eine 8-jährige. Wir sind stolz!
Der Weg wird schmaler, nur noch eine steiniger Fußpfad und dieser führt hart an der Steilhangkante ziemlich steil bergab. Wir genießen die schöne Aussicht und freuen uns, dass wir diesen Weg nicht rauf müssen!
Unten finden wir einen Grillplatz – Pause! Die Kinder toben, die Alten legen sich erstmal ab um Kraft zu schöpfen, denn vor uns „steht wie eine Wand“ der nächste Berg – oben die Wurmlinger Kapelle.

Es geht bergauf –STEIL –bergauf. Die Kinder „dürfen“ schon mal vor gehen auf dem schmalen Pfad mit Treppenstufen, die Eltern schnaufen mit den Pferden hinterher.
Von oben ist eine herrliche Aussicht!
Die Kapelle und ein kleiner Friedhof liegen genau auf der Spitze von einem kegelförmigen Berg.
Wir wandern einmal aussen rum und blicken hinab in die Ebene- und frieren uns dabei fast den Ar*** ab!
Es sollte eigentlich Sommer sein!
Der Wind treibt dicke Wolken heran, unten in der Ferne sehen wir schon Rottenburg- unser diesjähriges Ziel.
Am Fuße des Berges liegt Wurmlingen, dort wollen wir nach einem Quartier suchen.
Beim Abstieg von diesem zigtausender fängt es an zu nieseln – macht nix, wir marschieren weiter.
Doch schleichend wird der Regen mehr- und ehe man sich versieht ist man naß!
Also schnell die Ponchos über das Gepäck, die Kinder in ihre Plastikpellen verpackt und weiter. Die Kinder laufen- sie sind beschäftigt mit den vielen Bildstöcken- dieser Weg ist ein sog. Kreuzweg,
die verschiedenen Stationen Christi auf dem Weg zur Kreuzigung sind bildlich dargestellt. Seit wir Kinder haben wird uns erst bewusst, wie grausam die meisten Geschichten in der Bibel sind! Wir versuchen so gut es geht die vielen Fragen zu beantworten- aber manchmal fällt einem echt nix mehr ein…
Der Regen wird stärker, nix wie in den Ort, dort wird es sicher ein Vordach oder ein Bushäuschen zum unterstellen geben.
So ein Ding finden wir auch, aber es hat nicht einmal Sitzgelegenheiten- wie der Rest von diesem Ort wirkt es ziemlich abgewrackt-  oder lass ich mich nur von den leeren Bierflaschen in der zertrampelten Blumenrabatte vor dem Rathaus und dem ganzen Müll ringsum irritieren…?

Wir sitzen auf dem Boden rum, die Pferde eingeparkt. Mit Greta singe ich Regentröpfchen- Lieder und sie versucht HEX-HEX den Regen weg zu hexen- was ihr leider nicht so recht gelingt. Muß sie halt noch etwas üben, aber dazu ist in diesem Sommer ja jede Menge Gelegenheit….
Die Schauer lassen nach , wir tingeln wieder los, auf der Suche nach Ureinwohnern oder einem Anwesen das nach Bauernhof oder Pferdeleuten aussieht. Keine Chance- Höfe finden wir keine und bei diesem Sauwetter treibt sich keiner draussen herum. Wir sind schon am Ortsende angelangt – nur noch 4 km bis Rottenburg unserem diesjährigen Ziel – doch was sollen wir jetzt schon dort- es wird  Abend und wir brauchen ein Quartier.
 

In der Karte sind kurz vor Rottenburg Aussiedlerhöfe eingezeichnet – da wandern wir hin. Tja, das eine ist gar kein Hof, sondern irgendwelche Baracken, das andere ist zwar ein großer Viehbetrieb mit riesen Kuhstall, aber drum herum ist kein Fitzelchen Wiese, welches sich als Weide eignen würde- wir gehen müde vorbei.
Ein netter Junge schickt uns weiter: nur noch über die Hauptstrasse, dann durch die Felder- dort sind auch Höfe und die haben alle Pferde…
O.K. – aber das sieht laut Karte schonmalziemlichverdammtenorm weit aus !?!? Steffi sag ich nix von meinen Bedenken, „nur noch bis zu der Kirche da hinten, dann durch die Felder gerade aus weiter…“
Mir kommt da so eine Ahnung, dass ich den einen Hof dort sogar kenne. Wir marschieren- die Kinder auf den Pferden, damit wir zügig voran kommen. – ich will jetzt Feierabend und ein Bier wäre jetzt auch cool…
Über die Kuppe und man sieht die Höfe in der Ferne liegen – Steffi stöhnt, die Kinder haben keinen Bock mehr. Ich muß mal wieder animieren- sie dürfen runter von den Pferden und voraus rennen. Sie dürfen Weizen ausreissen und an die Pferde verfüttern.


 Irgend eine Spielidee muß einem immer wieder einfallen denn nur laufen ist „Schei**“  - „guckt mal da sieht man schon Reiter auf dem Reitplatz“, „schaut mal dort rennt ein Hund“  - oh, ohoh der Köter rennt hier her! Mistviech! So eine Dalmatinertupfentöle macht unseren Enzo an !- brauch ich jetzt nicht , ich will Feierabend! Einige Kinder glotzen auch durch die Hecke- so will ich den Köter nicht zu sehr anschimpfen- denn eventuell muß ich bei diesem Hof noch um Quartier fragen, wenn der Reiterhof keinen Platz für uns hat. Das stänkert noch eine Weile hinter uns her, kommen immer von hinten diese Biester- wart nur, bis wir ums Eck ausser Sichtweite sind- aber schade, da geht sie nicht mit- die feige Töle!
Wir gelangen schließlich auf den Marienhof. Dort war ich schon einmal vor vielen Jahren bei einer ETCD- Richterschulung. Die sind locker- da ist gut fragen!
Und genau so ist es. Der Chef ist gut gelaunt und unkompliziert, erstmal die Pferde anbinden und schauen, wo Platz ist. Eine große Paddock-Box ist frei. Im Stall bekommen wir eine weitere Box für unser Gepäck und Sattelzeug. Er schleppt eine Bierbank an, damit wir die Sätel aufbocken können- fein!
Die Menschen bekommen Dusche und WC gezeigt, und wir können in einem blauen Holzhäuschen schlafen. Es gibt einen Getränkeautomaten mit Bier! Feierabend!
Der Chef schaut noch mal vorbei und fragt, ob alles recht ist,  für das Abendessen wäre es leider zu spät, aber Frühstück ist schon bebongt. –super!
Er gibt uns noch die Nummer vom Pizza Service und verabschiedet sich dann zur Feuerwehrübung.
Wir fühlen uns wohl. Die vielen Menschen auf dem Hof sind alle sehr nett und hilfsbereit, alles ist so unkompliziert,  wir sind im Urlaub!
Abend auf dem Marienhof.



Unsere Kinder schauen den Reiterferien –Kindern beim putzen und satteln zu.

Es dauert eeeewiig, bis unsere Pizza kommt.  Die Ferienkinder haben schon ein Geländespiel gemacht und
Sitzen nun ums Lagerfeuer. Dort wird gerade die Auswertung vorgenommen , als unser Pizza Auto kommt- natürlich denken alle gleich, dass die Pizza ein Abendsnack für sie ist, oder der erste Preis beim Geländespiel..  sie stürmen fast den Wagen – aber wir müssen sie enttäuschen!
Nach dem Essen geht Greta ins „Bett“, die Großen dürfen auch mit in den Kreis ums Feuer sitzen und bei diversen Spielen mitmachen- als ob sie schon immer zu der Gruppe gehörten! Gefällt mir!
Eine große Tüte Popcorn kreist als „Betthupferle“, dann heißt es aufräumen, waschen , Zähneputzen, Nachtruhe. Jetzt kommt die Zeit der Erwachsenen. Wir sitzen noch mit der Hofchefin und den Betreuerinnen ums Feuer und tratschen-  gemütlich!  Sowas hat bisher noch gefehlt! So geht der vorletzte Tag zu Ende.



8.Tag
Wir wandern in den Tag oder in den Regen, oder wie man halt so sagt..
Hinter uns die hässlichen Hochhäuser, vor uns ein toller blick über die dicht bewaldeten Hügel des Schönbuch.

 Es ist saukalt und windig, 2 Frühstücke machen träge- keiner hat so recht Lust..
Heute geht’s mitten durch Tübingen, deshalb werden die Kinder schon mal gebrieft: auf
Autos achten, SOFORT auf Zuruf herkommen, zusammen bleiben etc. alles was man halt als besorgte Eltern so sagt…
Der Weg führt durch eine wunderschöne Maronen(!) Allee zum Rand der Stadt. Und da haben wir sie auch schon: Schnellstrasse, Treppe, Unterführung, schwitzende Joggingmama, die mault, weil wir zu langsam sind, missbilligende Blicke von Fußgängern – keine 150 mete und schon so richtig drin!
Aber der Jakobsweg führt vorbei an einem riesen Bunker von Altersheim in ein kleines Tal- eine richtig tiefe , einsame Waldschlucht- genannt das Elyseum, führt bergab in Richtung Neckartal. Wir vergessen augenblicklich, dass wir eigentlich von einre großen Stadt umgeben sind- hier ist Natur pur – unglaublich!
Ein gutes Stück bergab finden wir eine eigenartigen Gedenkstein- er markiert den geographischen Mittelpunkt von Baden Württemberg.
 Eigenartig für uns „Randzonen- Bewohner “- da sind wir doch nun schon so weit südlich und das soll erst die Mitte sein??!?
Ein Stück weiter weicht der Wald nun Obstgärten- der ganze Hang ist voller Wochenend Gründstücke oder auf gut schwäbisch „Stückle“ oder „Gütle“. Viele sehr schöne alte Gartenhäuser, Natursteinmauern, Obstbäume, steile Treppen. Oft liebevoll gepflegt, manchmal völlig verwildert und von der Natur zurück erobert.
Das Tal mündet plötzlich in eine große Kreuzung, das urbane Leben hat uns wieder. Auf der Strasse ist VIEL hektischer Verkehr, wir gehen auf dem Gehweg und müssen höllisch auf Autospiegel achten!
Die nächsten Unterführungen- nichts besonderes, dann ein reiner Fußweg, eingezwängt zwischen Mauern- und wie es von hier oben am Berg aussieht ist da unten wohl eine Treppe.
Also Kinder vor geschickt- sie geben Zeichen – Treppe – groß!
Also ich runter- hmm Treppe, sehr groß. Eine nette Passantin kommt vorbei und meint, dass wir das nicht schaffen würden und wir ganz weit aussenrum sollten.  Das darf man mir NICHT sagen- da ist mein Ehrgeiz geweckt.
Nochmal einen Blick auf die Treppe geworfen- sie endet unten neben einer 4 spurigen Schnellstrasse. Kinder abgesetzt- dableiben! Hund bewachen! Nicht von der Stelle rühren! Ich hol die Mama und die Pferde!
Wieder den Berg hoch geschnauft. Oben lässt Steffi die Pferde eine Verkehrsinsel abgrasen und hat neue Bekannte gefunden. Die Leute aus den Nachbarhäusern sind mit ihren Digicams gekommen um diese Verrückten da zu fotografieren. Pferde waren in dieser Strasse bestimmt schon seit den 50er Jahren nicht mehr…
Einer der Passanten outet sich als Profi und will wissen, warum wir die Pferde ohne Gebiss im
Maul führen- das wäre viel zu gefährlich- er könne seine Warmblüter zu Hause ohne Gebiss nicht über den Hof führen -  hmm mir würde das zu denken geben…
Steffi verkündet mir, dass auf der anderen Strassenseite eine Rampe für Radfahrer hinunter führt- völlig easy für uns! Und ich Idiot habe die Kinder da unten gelassen – also noch mal runter die Kinder und den Hund holen, oben von der inzwischen noch mehr angewachsenen Schar Schaulustiger verabschieden und los geht’s.
Mitten rein in die große Stadt.
Ettliche Leute die uns begegnen schauen, als ob wir mit unserem Anblick ihnen den ganzen Tag versaut hätten. Die paar, die sich über uns freuen, freuen sich dafür umso mehr und herzlicher!
In der Altstadt, ein enges Gässlein mit Kopfsteinpflaster- vor uns springt eine junge Radfahrerin von ihrem Fahrzeug und verkündet freudestrahlend, dass sie die gleichen Packtaschen habe wie wir. Nein nicht die am Rad sondern zu Hause bei ihren Pony´s.
Es entsteht ein nettes Gespräch, eigentlich möchte ich gerne etwas weiter, wir sind hier zwischen Häuser, Verkehr und ihrem Fahrrad eingeklemmt – und schon rumpelt ein riesiges Müllauto um die Ecke- damit es um die Kurve kommt, fährt es der Hakima fast dem Ars** ab. Da halte selbst ich kurz die Luft an- doch mein Rösslein steht wie eine eins! SchweißvonderStirnwisch!  Ist ja ein Kind drauf! Und eh ich mich versehe, kippt der mit lautem Getöse einen Container hinten rein! Mein alter Gaul dreht zwar den Kopf und schaut (ist ja erlaubt) aber bewegt sich keinen cm! Und wenn die Alte steht, dann juckts die Junge schon mal gar nicht..  Was haben wir doch für tolle Ponies!!
Das Müllauto ist weg, die junge Frau redet immer noch ohne Punkt und Komma. Ich dränge daruf, etwas weiter zu gehen, dahin, wo etwas mehr Platz ist. Wir erfahren noch mehr über all ihre Wanderritte, als Hakima plötzlich ihr großes Geschäft macht –so ein  Mist! (im wahrsten Sinn des Wortes..) das hat mir hier gerade noch gefehlt, hier ist kein Bordstein, wo man das mit dem Fuß mal eben hätte hinschieben können – kaum ausgedacht, schon schießt eine Person mit aufgemaltem Gesicht aus dem Büro vor dem wir nun mal stehen und keift: daswirdabersooofoortweggemacht!!!  - klar selbstverständlich, wir sind ja nicht so, Hätten Sie mal eine Schaufel und einen Besen?  MeinBesenwirdmitsowasnichtversautSauereielendige!!
Irgendwie löst dieses Gekeife in Hakima was aus und sie macht dann gleich auch noch das andere Geschäft , worauf hin die Person mit dem aufgemalten Gesicht entsetzt wegspringt, weil´s ihr an die Nylons spritzt…huh- hätt ich jetzt echt nicht haben müssen…eine wirklich nette, praktisch veranlagte ältere Dame, die das Ganze im Vorbeigehen miterlebt hat hält kurz an und meint, ich solle doch nebenan ins Bürgerbüro gehen, da gibt’s kostenlos den Gelben Sack.
Gesagt getan, ich hechte nebenan ins Bürgerbüro, die Dame hinter dem Tresen schaut mich unwirsch an- ich hätte gerne einen gelben Sack – gibt’s nicht! Sagt sie – einen gibt’s nicht- nur eine ganz Rolle!  Ich brauch aber nur einen – gibt’s nicht- alle oder keinen- o.k.  alle, danke, tschüs!

Also die ganze Sch*** in den Sack. Vom Hundehäufchen bin ich das ja gewohnt, aber so ein Pferdehaufen ist noch mal ein ganz anderes Kaliber- und Zorra hat aus lauter Solidarität auch noch einen Haufen neben dran gemacht- nun war ich froh an meinen vielen Säcken! Sind nun doch einige geworden. Schnell die immer noch quasselnde Wanderreiterin verabschiedet und weiter- ich mit einem Bündel Mistsäcken in der Hand- wo ist der nächste Mülleimer- natürlich keiner da! Hoffentlich hält das Material!
Wir kommen endlich an der Jakobskirche an, ein ruhiger Platz mitten in der Altstadt – und ringsherum Mülleimer –super, denn die Dinger sind so klein, da passen meine Säcke gar nicht alle rein, die muß ich verteilen!
Wir besichtigen die Kirche
und – wunderbar- Pauline entdeckt auch gleich die Toilette- ist toll wenn man praktisch veranlagte Kinder hat- nun noch schnell Hände waschen und gepflegt andere Dinge erledigen. Alles ist gut.
Die Jakobusbäckerei neben der Kirche ist geschlossen.
Die Muschelzeichen führen uns durch die engen Altstadtgassen und die Fußgängerzonen. Viel los hier!
Vorbei am historischen Rathaus, die Hufeisen klappern fröhlich auf dem Pflaster und die Touristen haben was zum fotografieren.

Die Muschel führt uns mal wieder an eine Treppe, doch es ist so eng zwischen den Häusern, dass für die bepackten Pferde kein durchkommen ist. Der Umweg wird schnell gefunden und es geht steil hinauf in Richtung Schloß. Der Jakobsweg führt durch das Schloß – durch das erste prächtige Tor
- durch das zweite etwas kleinere Tor,

 über den Schlosshof und hinten durch ein Minitor wieder hinaus!
oh nein! Das ist so eine Art Durchlaß, der führt unter dem ganzen Gebäude hindurch - niedrig, eng, lang und dunkel…  es könnte gehen, die Taschen werden aber sicher streifen…  Vorsichtshalber lauf ich schon mal durch und schau, wie es hinten weiter geht – und siehe da- ein Mini Hof und dann ein weiterer Tunnel- aber diesmal abwärts mit Treppe- hier ist garantiert kein Durchkommen für die Pferde!
 

Kommando zurück!  Das hab ich noch nie leiden können, wenn ich auf einer Tour zurück muß. Hier geht es noch- wir haben wenigstens den Schlosshof besichtigt und die Aussicht auf das Tal genossen!
Aber dann heißt es zurück- hinunter in die Altstadt und ganz aussen herum um den Schlossberg- und was man runter geht muß man irgendwann auch wieder hinauf..

Es geht ewig lang durch Strassen mit prächtigen alten Villen – hier muß es viele Ärzte und Anwälte geben- oder wer wohnt da so feudal.?
Es ist eine anstrengende Etappe- immer bergauf, Asphalt klappern, Verkehr, ein zweites Mal kommen wir fast unter einen Müllwagen  und plötzlich sind wir am Stadtrand – hurra wir sind durch!! die Natur hat uns wieder!


7.Tag
Trotz dem Heu tun mir heute alle Knochen weh!
Heute kommt zum üblichen zusammen packen auch noch der Abbau der Nachtkoppel dazu – Mistviecher!
Es ist kalt , regnerisch und sehr windig. Mühsam geht es steil den Berg hoch ins Dorf auf der Suche nach einer Bäckerei oder ähnlichem.
Ganz oben werden wir fündig- war ja klar…
Auf der Strasse gibt es Frühstück, Passanten kommen vorbei und unterhalten sich kurz mit uns. Ein alter Mann erzählt von seinen Pilgertouren in Frankreich und in Spanien- er hat´s nach Santiago geschafft – wird es uns eines Tages auch gelingen?
In der Dorfmitte von Rübgarten treffen wir zwei ältere Damen beim Backhaus- sie backen Brot – es duftet herrlich- draussen stehen die Brotmobile- ihre urigen Handwagen, mit denen sie die fertigen Laibe nach Hause schieben. Sie laden uns ein, aber es dauert uns noch viel zu lange, bis das Brot fertig ist- wir wollen weiter. 


Wir kommen in den Schönbuch, ein sehr schönes, riesig großes  Waldgebiet südlich von Stuttgart. Wie eine Insel (oder besser eine riesige Lichtung) umgeben nur von tiefen Wäldern liegen die Felder und die Domäne Einsiedel. Die Wege führen schnurgerade auf den Hof zu und davon weg. Der Hof liegt bei einem hübschen alten Jagdschloß, in dem heute  kath. Jugendgruppen Freizeiten veranstalten. 

Ab jetzt geht es heute bis Bebenhausen nur durch Wald. Wir gelangen an eine Waldschänke, wo wir natürlich einkehren. Eine betagte Dame betreibt diese Anlage seit über 40 Jahren, alles hier hat 60er Jahre Charme- die Kinder erobern den großen Spielplatz mit Klettergerüsten und Autoscooter wie es sie schon zu meiner Kindheit gab- skuril das ganze!!
Die Eltern genehmigen sich einen Kaffee, der zwar in Plastikbechern ausgeschenkt , aber auf Porzellan Untertassen serviert wird! Dazu gibt `nen Schokoriegel.
Frage: Seid Ihr Pilger, oder lauft Ihr nur so rum?   -  Pilger natürlich!  O.K., dann gibt’s nenn Gratisschnaps dazu !  Den bekommen Pilger hier traditionell. Tolle Sache.
Auf unserem Weg müssen wir nun durch ein großes Tor- der Schönbuch ist zu großen Teilen eingezäunt – damit das Wild drinnen und die Wilderer draussen bleiben.

 Schön ists hier, still, fernab der Zivilisation- so nah an einer großen Stadt!
Es geht bergab nach Bebenhausen. Zuerst noch über die laute, viel befahrene Bundesstrasse und schon ist man drin in einer anderen Welt! Der kleine Ort wird beherrscht vom hervorragend erhaltenen Kloster, ringsum herrliche alte Fachwerkhäuser.
Das Klappern der Hufeisen auf dem Kopfsteinpflaster passt perfekt dazu! Wir drehen ein Dorf- und Klosterrunde – selbst die Nistkästen sind hier gotisch!!
      
Ein Touristenpaar aus Venedig freut sich , dass St. Jakob auch in Deutschland populär ist.

Quartiersuche steht an. Aber keiner der Einheimischen weiß ein Stückchen Wiese oder Weide für uns, es wird uns empfohlen, ins nächste Ort weiter zu gehen. Das ist schon der Stadtrand von Tübingen- dort gibt es Reitvereine- ohje- und einige Bauernhöfe mit Pferden- schon besser!
Wir treffen Pilger!  Heut Mittag im Wald haben wir diese Gruppe schon gesehen, da machten sie etwas abseits Rast, später haben sie uns bei einer der ach so vielen Ichmußmalpinkeln- Pause überholt. Nette Leute, schicke Outdoor Klamotten und angenehm frisch duftend… sie sind erst heute gestartet – haben sich auch von der Unwetterwarnung verrückt machen lassen.

Nach Bebenhausen geht es !steil! den Berg hoch- richtig steil.
Gemein ist, dass es auf den Fotos nie so steil aussieht wie es eigentlich ist…
Die frischen Pilger sind direkt vor uns , als schon wieder der Pinkelruf ertönt. –Klar die kommen weiter- keine Kinder, hund , Pferde dabei- die können Abends sogar ins Hotel..seufz..
Da vorne sind sie wieder- und der Abstand wird geringer- sooo schnell sind die gar nicht!
Kaum haben wir sie eingeholt, trennen sich unsere Weg auch schon wieder- sie bleiben auf dem Jakobsweg- wir gehen direkt rein nach Waldhausen um ein Quartier zu suchen.
Es ist zwar blöd, aber man bekommt schon mal so einen Rennehrgeiz..
Vorbei an leeren Baracken- oh nein, die sind gar nicht leer- da hausen Leute! Schrecklich, es sieht hier aus wie in den Slums von großen US-Städten , dann Sportanlage, Reitverein- riesige Anlage, doch wir gehen lieber zu den Bauernhöfen auf der anderen Strassenseite.
3,4 schöne große alte Höfe sind da, aber direkt dahinter die Hochhäuser der Trabantenstadt- wie schön haben wir es da in Hohenlohe!!
Gleich die ersten Bäuerin, die wir antreffen lässt melken melken sein und läuft mal eben zum Nachbarn um für uns nach Quartier zu fragen.  Toll!!
Ihre eigene Weide sei nicht sicher genug eingezäunt, ein Zimmer will sie auch auftreiben – haben wir richtig gehört? Ein Zimmer?!!  Oh wie fein. Es war regnerisch und saukalt heute.
Die Mädels vom Nachbarhof  nehmen unsere Pferde freudestrahlend auf. Die findens cool, solche Stromer als Gäste im Stall zu haben! Ein Bauer kommt vorbei und sagt, er solle mich abholen und mir das Zimmer zeigen.
ER hat im Keller Zimmer für seine Saisonarbeiter eingerichtet. Dort könnten wir auf dem Boden unsere Schlafsäcke ausbreiten, wir könnten auch duschen, aber sollten bitte die Kinder auf einmal und bittschön Wassersparen. Aber wir können nur rein, wenn er da ist- Schlüssel gibt es keinen und er hat auch keine Lust auf rein und raus…ich bin froh, ein Dach über dem Kopf zu haben und sage zu- wir können DUSCHEN!! Er nennt einen sehr stolzen Preis, doch egal, wir haben Urlaub…
Zurück im Stall wird vom Proviant Brotzeit gemacht, Steffi hat etwas eingekauft.(hinter dem Hof liegt ja gleich die Stadt..!)
Wir bekommen Bescheid, dass wir einziehen dürfen- die Ponys sind auf einem Paddock für die Nacht geparkt und mümmeln ihr Heu.
Die ganze Band duscht, ich wasche auch noch einige Stücke aus- obwohl unser Vermieter meinte, die Heizung bleibt aus, habe ich beschlossen, dass bei dem Preis Wäschetrocknen inclusive sein muß.
Wir haben prächtig geschlafen, während draussen der Regen an die Fensterscheiben trommelte- arme Pferde !
Die Bäuerin macht einen ganz netten Eindruck- passt gar nicht so recht zu diesem Mann…
Schnell gepackt, das Zimmer geräumt, die Bäuerin sagt, wir sollen nach dem Pferdepacken noch mal kurz vorbei schauen.
Im Stall die Pferde geputzt und noch mal ordentlich gefüttert, aufgerödelt , Armeleutefrühstück aus dem Proviantbeutel und dann ums Eck zurück auf den anderen Hof zum verabschieden. Wir werden ins Haus gebeten und zum Frühstück eingeladen! Ein riesiges 2. Frühstück mit allem was das Herz begehrt. Der Bauer kommt vom Feld rein, ist sogar ganz nett am unterhalten und knöpft mir dann fürs Frühstück weitere 10 Euronen ab!
War ja eigentlich eine Einladung von seiner Frau- aber macht nix- wars wert und wir haben ja Urlaub….dafür riechen wir nun nicht mehr wie Dschingis Khans Horden!